Gibt es ein künstlich erzeugtes und ein echtes Gewissen?

Ja, darüber schreibt Alexander Gosztonyi u.a. im Buch

Anatomie der Seele (gebundene Ausgabe) Das grosse Buch der Seele (Taschenbuch):

Gewissen und Gerechtigkeit

Es ist das Gefühl, durch das der innere Mensch dem äußeren seine Mitteilungen macht. Und da er als Träger des Göttlichen Kerns über ein sicheres Wissen verfügt, ist das Gefühl unfehlbar. – Scheint das Gefühl trügerisch zu sein, so deshalb, weil es kein „echtes“ Gefühl ist, sondern vom äußeren Menschen mit Empfindung oder Emotion verwechselt wird.

Durch das Gefühl meldet sich auch die Stimme des echten Gewissens.

 

Das echte Gewissen beruht auf innerem Wissen. Das Ge‑Wissen betrifft jenen Teil des Wissens, welcher für das Leben und die Lebensweise des Menschen entscheidend ist: das Wissen um die Kosmische Ordnung und ihre Gesetze, aber auch die Kenntnis der eigenen Vergangenheit. Der innere Mensch ist der Hüter des Gewissens. Er weiß genau, was richtig und falsch, was gut und böse ist. Tut der äußere Mensch etwas Ungutes, so meldet sich der innere Mensch durch das Gefühl, und dieses Gefühl ist in diesem Fall das Schuldgefühl.

Der innere Mensch kann sich allerdings erst dann durch die Stimme des Gewissens melden, wenn der äußere Mensch schon auf sie hören und ihr entsprechen kann. Dazu ist er aber erst gegen Ende der dritten Entwicklungsstufe fähig. Bis dahin braucht er eine „Krücke“, die ihm hilft, sich über Gut und Böse auch ohne die Stimme seines echten Gewissens zu orientieren. Diese „Krücke“ ist auf den unteren Entwicklungsstufen das künstlich erzeugte Gewissen. Es wird dem Menschen von außen her, in erster Linie von der Gemeinschaft, in welcher er steht, anerzogen, häufig sogar durch Drill. Das künstliche Gewissen richtet sich in erster Linie nach Vorstellungen und Satzungen der Gemeinschaft, die nicht immer mit der Wirklichkeit und der Kosmischen Ordnung übereinstimmen, selbst wenn sie für Göttliche Gesetze ausgegeben werden. 

Sie decken sich auch nicht immer mit dem Wissen des inneren Menschen. Nur kann er sich auf den unteren Entwicklungsstufen noch nicht durchsetzen: Der Mensch ist seinem inneren Alter nach noch ein Kind. Damit er an den Satzungen des künstlich erzeugten Gewissens Korrekturen anbringen kann, muss der äußere Mensch reif genug sein, um all das, was er von der Gemeinschaft übernommen hat, in Frage zu stellen. Solange sich jedoch der äußere Mensch noch nicht nach dem inneren Menschen und also nicht nach der inneren Wahrheit und den Kosmischen Gesetzen richtet bzw. richten kann, kennt er nur das, was ihm anerzogen wurde. Was also für ihn als „gut“ oder „schlecht“ oder „böse“ zu gelten hat, sagt ihm sein künstlich erzeugtes Gewissen. Ob er ihm dann folgt, ist eine andere Frage.

Erst gegen Mitte der äonischen Entwicklung: auf der vierten Stufe, kann er die Stimme des inneren Menschen vernehmen. Nimmt er sie wahr, so bedeutet es, dass in ihm das echte Gewissen „erwacht“ ist. 

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Das echte Gewissen

Erwacht im Menschen das echte Gewissen, so ist dies ein Zeichen dafür, dass er begonnen hat, sich dem Göttlichen zu öffnen. Das echte Gewissen wird vom inneren Menschen verwaltet, und dieser weiß um die Göttlichen Gesetze. Diese sind in das Herz jedes Menschen eingraviert und damit in seinem tieferen inneren Wissen gegenwärtig. Daher zeigt das echte Gewissen genau an, was in Wahrheit gut und was böse ist.

Die Quelle des echten Gewissens: das innere Wissen.

Das tiefere innere Wissen: das Wissensgut des Herzens, lagert im Überbewussten. Dieses umfasst die drei oberen Seelenschichten. Der Mensch muss bereits Zugang zu diesen Seelenschichten haben, damit das echte Gewissen seine Wirkung entfalten kann. 

Am Anfang der äonischen Entwicklung, wenn der Mensch noch wie ein Kind in einem paradiesischen Zustand – in „kindlicher Unschuld“ – lebt und von den Geistigen Führern geführt wird, kann er noch gar nicht anders als in Einklang mit den Göttlichen Gesetzen leben.

Die innere Entwicklung führt dann den Menschen aus seinem Paradies und damit aus der „kindlichen Unschuld“ hinaus, und sein inneres Wissen wird infolge seines Strebens nach Selbstbehauptung und Individualisierung und erst recht mit wachsender Ichsucht allmählich verschüttet.

Es beginnt ein langer Weg der Entwicklung, auf dem der Mensch unentwegt Erfahrungen macht und immer wieder auch an sich selber (z.B. durch Verursachen und Abtragen von Karma) erfahren muss, was gut und was böse ist. Doch er kann diese Erfahrungen erst dann auswerten, wenn er innerlich reif genug ist und sein echtes Gewissen erwacht ist. Erst von der Mitte seiner inneren Entwicklung an wird er innerlich reif genug, um Gut und Böse nicht bloß passiv: im Tun und Erleiden zu erfahren, sondern die entsprechenden Erfahrungen auch zu verstehen.

Die volle Entfaltung des echten Gewissens beginnt von der vierten Entwicklungsstufe an. Auf dieser Stufe wird der Mensch nach und nach fähig, seine Erfahrungen auszuwerten, die er im Laufe seiner bisherigen Entwicklung – größtenteils unbewusst – gemacht und in seinem Unterbewussten: in den drei unteren Seelenschichten, gespeichert hat. 

Den Maßstab, mit dessen Hilfe er sie auswerten und auch bewerten kann, braucht er nun nicht mehr von der Gemeinschaft – durch Vermittlung seines künstlichen Gewissens – und von seinem (oft „gewissenlosen“) Ich zu übernehmen. Dank seinem erwachten echten Gewissen verfügt er bereits über einen eigenen Maßstab. Dass dieser richtig geeicht ist, verbürgt ihm sein Wissen um die Göttlichen Gesetze. Dieses Wissen ist in seinem inneren Wissen eingeschlossen und wird vom inneren Menschen gehandhabt, der es zu gegebener Zeit dem äußeren Menschen ins Bewusstsein treten lässt.

Der Mensch kann dann mit Hilfe seines inneren Wissens die Grundlagen jener Ordnung überprüfen, welche seinem inneren Leben und dem Leben in der Gemeinschaft den Rahmen gibt. Er wird sie im Hinblick auf die Menschlichkeit prüfen. Er befreit sich dabei Schritt für Schritt vom Zwang seines künstlich erzeugten Gewissens und wird die Satzungen der jeweiligen Gemeinschaft, ihre moralischen und ethischen Regeln und Gesetze, aber auch die Wünsche seines Ich nicht mehr unbesehen übernehmen. Er befreit sich damit von seinem – bislang blinden – Glauben an Autorität und Tradition und allmählich von allen Resten des inneren Zwanges, den ihm gegen Ende der vorangehenden Phase größtenteils sein Ich auferlegt hat. Der Zwang wird von einer Haltung abgelöst, die durch Freiwilligkeit gekennzeichnet ist.

Dabei vollzieht sich die Umgestaltung des Ordnungssinnes, der nun zum Realitätssinn wird.

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